Mag.a Caroline Culen, PhD
Geschäftsführerin Österreichische Liga für Kinder- und Jugendgesundheit
Lachen trotz Krebsdiagnose? Ausflug in den Schnee mit Rollstuhl? Geburtstagsfest für ein Kind mit Autismus?
Für viele Familien schaut der Alltag ganz anders aus, als wir uns das üblicherweise vorstellen. Statt Müsli gibt es eine genau abgestimmte Diät, statt Vitaminzuckerl abzuzählen, wird die tägliche Insulinmenge ausgerechnet, statt beim Fußballmatch mitzuspielen, steht der Spitalaufenthalt an. Gerade für Kinder und Jugendliche mit Vorerkrankungen ist ein Jahr wie das heurige mit der COVID-19-Pandemie besonders herausfordernd. Bedeutet ein Leben mit eingeschränkter Gesundheit auch, dass die Lebensfreude eingeschränkt ist?
In der Medizin und der Psychologie gibt es das Modell der „gesundheitsbezogenen Lebensqualität“. In der Versorgung und Betreuung von Patient(inn)en mit einer chronischen, seltenen oder fortschreitenden Erkrankung stellt das Konzept der Lebensqualität einen wichtigen Gegenpol zu einer rein kurativen und auf Lebensverlängerung gerichteten Behandlung dar.
Die Definition der WHO (World Health Organization) beschreibt Lebensqualität als „subjektive Wahrnehmung einer Person über ihre Stellung im Leben in Relation zur Kultur und den Wertsystemen, in denen sie lebt, und in Bezug auf ihre Ziele, Erwartungen, Standards und Anliegen“. Körperliche Gesundheit allein ist also noch keine Garantie für eine hohe Lebensqualität.
„Viele der reichsten Länder der Welt, die eigentlich über genügend Ressourcen verfügen, scheitern, wenn es darum geht, allen Kindern eine gute Kindheit zu ermöglichen“, sagt Gunilla Olsson, Direktorin des UNICEF-Forschungszentrums Innocenti. Österreich kann und sollte hier eine Ausnahme bilden. Allen Kindern die Grundlagen für gute Lebensqualität zu schaffen, hat auch mit sozialer Verantwortung zu tun.
Die subjektive Lebensqualität ist also eingebettet in einen kulturellen, sozialen und umweltbedingten Kontext. Neben gesellschaftlichen Bedingungen wie sozialer Frieden und Chancengerechtigkeit sind vor allem tragfähige Beziehungen und individuelle Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten ausschlaggebend für das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen.
Um sich wohlzufühlen, brauchen Kinder und Jugendliche mit seltenen Erkrankungen oder Behinderungen das Erleben von Autonomie, Kompetenz, sozialer Eingebundenheit (Partizipation) und Sinn. Selbstständig Alltagsaufgaben bewältigen, Neues Lernen dürfen und sich weiterentwickeln können, Freundinnen und Freunde haben und in eine Gemeinschaft eingebunden sein, in der Familie, in der Schule oder im Freundeskreis etwas beitragen und ernst genommen werden – all das macht auch für sie Lebensfreude und Lebensqualität aus.
Bei der Bewältigung des Schulalltags und bei Freizeitangeboten stoßen Kinder und Jugendliche mit einer seltenen Erkrankung sowie deren Familien oftmals noch immer an Grenzen. Inklusion hat Nachholbedarf. Unterstützungsangebote wie vermehrte mobile Kinderkrankenpflege, School Nurses oder Transitions- beziehungsweise Case-Manager(innen), die den Übergang von der spezialisierten medizinischen Kinderversorgung in die Erwachsenenmedizin begleiten, fehlen. Die betroffenen Kinder, jungen Menschen und ihre Familien fühlen sich im Alltag oft alleingelassen.
In der Bangkok-Charta der WHO heißt es: „Die Vereinten Nationen erkennen an, dass das Erreichen der höchstmöglichen Gesundheitsstandards eines der fundamentalen Rechte aller Menschen ohne Unterschied darstellt. Gesundheitsförderung basiert auf diesem wesentlichen Menschenrecht. Dieses positive und umfassende Konzept begreift Gesundheit als einen Bestimmungsfaktor für Lebensqualität einschließlich des psychischen und geistigen Wohlbefindens.“
Gesundheit und Wohlbefinden ist nicht die Leistung der einzelnen Kinder, Jugendlichen oder deren Familien. Wohlbefinden und Lebensqualität hängen stark von den grundlegenden Werten einer Gesellschaft ab. Soziale Verantwortung tragen wir alle gemeinsam: Wir können alle mithelfen, Kindern und Jugendlichen mit chronischen, seltenen und fortschreitenden Erkrankungen Lebensqualität und ein Aufwachsen in größtmöglicher Gesundheit und Wohlbefinden zu ermöglichen.
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