Duchenne-Muskeldystrophie ist eine seltene Krankheit. Betroffen ist einer von 3.600 bis 6.000 pro Jahr geborenen Buben. Gemeinsam haben sie, dass ihre Muskeln schwinden.
Prim. Univ.- Prof. Dr. Günther Bernert
Präsident Österreichische Muskelforschung
Duchenne-Muskeldystrophie (DMD) ist die häufigste aller Muskelerkrankungen. In Summe sind Muskelerkrankungen nicht selten, aber die einzelnen sind es sehr wohl. Die Folge von Duchenne ist vor allem eine Muskelschwäche, die fortschreitend ist. Betroffen sind fast ausschließlich Buben, etwa 2.000 in Deutschland, 200 in Österreich. Erkrankte erscheinen im Kleinkindalter meist noch gesund, sind aber im ersten Lebensjahr schon betroffen – alles, was mit Gehen zu tun hat, fällt schwer. „Die Kinder wirken, als würden sie am Boden festkleben. Laufen wirkt wie schnelles Gehen bei anderen Kindern“, erläutert der Wiener Pädiater Primar Dr. Günther Bernert im Rahmen einer Pressekonferenz, die die Österreichische Muskelforschung gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke e. V. anlässlich des Welt-Duchenne-Tages am 7. September hielt.
Wenn es gelingt, die Gehfähigkeit der betroffenen Buben so lange wie möglich zu erhalten, kann auch das Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden. Daher ist das frühe Erkennen der DMD essenziell: Durch frühzeitig einsetzende Maßnahmen besteht die Chance, den Symptomen entgegenzuwirken und den Krankheitsverlauf zu verlangsamen. Zusätzlich zur Identifizierung der Symptome kann die Bestimmung eines einfachen Laborwertes, der Kreatinkinase (CK), über die mögliche Erkrankung Aufschluss geben. Ist der CK-MM Wert (der CK Wert in den Muskelzellen des Bewegungsapparats) deutlich erhöht, empfiehlt sich die weitere Abklärung durch einen Neuropädiater.
Die gute Nachricht: Es gibt Therapien. Zwei Therapien sind derzeit zugelassen, die auf die „Übersetzung“ der Geninformation abstellen „Hiermit ist eine positive Einflussnahme auf den Krankheitsverlauf möglich“, so Bernert, der auf die Spätfolgen für Herz oder Lunge verweist. Eine Cortisontherapie lindert die Folgen des im betroffenen Körper ständig wirkenden Entzündungsprozesses, hier wird aufgrund der Nebenwirkungen an Alternativen geforscht.
Weitere Therapien, die in Entwicklung sind, zielen darauf ab, dass die Erkrankung sich möglichst wenig auf den Alltag auswirkt. Bernert verweist auf eine Genersatztherapie, also das beschädigte Gen durch einen Vektor zu ersetzen. Eine volle Gentherapie ist aber noch nicht möglich, weil das Dystrophin-Gen aufgrund seiner Größe durch Vektoren noch nicht transportabel ist. „Im Moment schaffen wir also nur einen Teil des Gentransfers“, erklärt Bernert.
Janbernd Kirschner, Professor am Universitätsklinikum Bonn, betont die Bedeutung der Diagnostik. Aufgrund des seltenen Auftretens der Erkrankung werde sie von Medizinern oft nicht gleich erkannt. Wenn Eltern erfahren, dass ihr Sohn wohl im Alter zwischen zehn und 14 Jahren die Fähigkeit, frei zu gehen, verlieren wird, und die Lebenserwartung bei etwa 30 – 40 Jahren liegt, sei das natürlich ein harter Schlag. „Die betroffenen Buben selbst leben oft sehr im Moment und wirken meist bis ins Jugendlichenalter sogar unbeschwert.“, so Kirschner.
Priv.-Doz. Paul Wexberg, Internist in Wien, und Vater eines Jugendlichen mit DMD, beschreibt weitere Probleme im Verlauf eines Betroffenenlebens, die von der Körperpflege in der Pubertät über Sexualität und autonomes Wohnen bis hin zu seelischer Betreuung und finanzieller Belastung reichen.
Vor diesem Hintergrund ist das Projekt „Patientenlotse“ der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) entstanden. „Wir kamen auf die Idee, weil Spezialisten oft mit Administration sehr belastet sind und weil eine Betrachtung der Betroffenen durch viele Disziplinen notwendig ist“, sagt DGM-Bundesgeschäftsführer Joachim Sproß. Dazu wurden an fünf neuromuskulären Zentren in Deutschland Lotsen eingestellt, um Betroffene durch den Dschungel der Betreuung zu begleiten, ihnen bei der Koordination zu helfen und dafür zu sorgen, dass die vielen unterschiedlichen Spezialisten auch möglichst gut abgestimmt arbeiten und dass Untersuchungen an möglichst wenigen Tagen konzentriert werden, um häufige Anreisen in Spitäler zu vermeiden. Eine wichtige Funktion übernimmt der Patientenlotse auch in der Begleitung der betroffenen jungen Erwachsenen im oft fordernden Übergang von der Pädiatrie in die erwachsenenmedizinische Betreuung. In Österreich ist ein Pilotprojekt zur Schaffung von Casemanagement Positionen an neuromuskulären Spezialambulanzen nach deutschem Vorbild geplant.