Klemens lebt mit Hämophilie und engagiert sich bei der Österreichischen Hämophilie Gesellschaft. Im Interview erzählt er, wie ein selbständiges und sorgenfreies Leben trotz der seltenen Erkrankung möglich ist.
Die wichtigste Frage zu Beginn: Was ist Hämophilie?
Hämophilie zählt zu den angeborenen Blutgerinnungsstörungen. Bei gesunden Menschen sorgt die sogenannte Gerinnungskaskade bei Verletzungen dafür, dass die Blutung zum Stillstand kommt. Wenn man Hämophilie hat, ist ein Teil dieser Gerinnungskaskade nicht hundertprozentig intakt und es kommt zu einer verzögerten Gerinnung. Eine Person, die „Bluter:in“ ist – so werden die von Hämophilie Betroffenen umgangssprachlich bezeichnet –, blutet nicht stärker oder schneller, sondern ihre Blutung stoppt erst verzögert. Kleine, oberflächliche Verletzungen sind dabei nicht dramatisch. Problematisch hingegen sind großflächige und innere Verletzungen sowie Gelenks- oder Weichteilblutungen.
Wie erfolgt die Diagnose bei Hämophilie in der Regel?
Hämophilie ist eine vererbbare Erkrankung. Wenn das Erkrankungsbild also in der Familie bereits bekannt ist, können Familien bei Neugeborenen vor einer möglichen Diagnosestellung proaktiv sein. Ein Drittel der Erkrankungen weist aber Spontanmutationen auf. Im Idealfall erfolgt die Diagnose möglichst früh, wobei jedoch diese spontanen Genmutationen von Ärzt:innen oft nicht gleich erkannt werden, weil Hämophilie eine seltene Erkrankung ist. Daher ist hier das Wissen an der richtigen Stelle wesentlich, um Patient:innen zu Spezialist:innen schicken zu können.
Das Thema Prophylaxe ist in der Behandlung von Hämophilie zentral. Was bedeutet das genau und wie funktioniert sie?
Die Erkrankung ist sehr gut behandelbar und Patient:innen können ein selbständiges und sorgenfreies Leben mit praktisch keinen Einschränkungen führen. Aber es steht und fällt alles mit dem Zugang zur Therapie, also mit der Gabe des fehlenden Faktors. Diesen injiziert man sich in regelmäßigen Abständen, damit man immer gut geschützt ist.
Wie oft spritzt man sich diesen Faktor?
In den letzten Jahren hat sich viel in der Forschung getan, sodass man heute nicht mehr pauschal sagen kann, wie häufig die Faktorgaben notwendig sind. Das variiert natürlich auch nach Schweregrad der Erkrankung. Zumeist wird der Faktor aber ein- bis dreimal pro Woche verabreicht. Sobald die Patient:innen alt genug sind, können sie dies selbst durchführen.
Wie organisiert bzw. strukturiert man die Faktorgaben am besten für sich selbst?
Wie die Faktorgaben im Alltag am besten umgesetzt werden, ist von Patient:in zu Patient:in verschieden. Manche haben einen sehr konstanten Rhythmus und stehen etwa dreimal in der Woche früher auf, andere organisieren sie um ihre – beispielsweise sportlichen – Aktivitäten herum. Es gibt mittlerweile auch diverse Apps am Markt, mit denen man ein Behandlungstagebuch führen, Erinnerungen erhalten oder auch die Faktorgaben dokumentieren kann. Das hilft, damit man gemeinsam mit den behandelnden Ärzt:innen die richtige Dosis findet. Was früher handschriftlich in einem Patient:innentagebuch eingetragen wurde passiert heute unkompliziert und direkt mittels Smartphone.