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Home » News » Podcast: Evolution in der Hämophilie – Entwicklung, Fortschritt und Innovation
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Hämophilie ist eine seltene angeborene Erkrankung, die aber dank jahrzehntelanger Anstrengungen in Medizin und Forschung heute gut behandelbar ist. Der international renommierte Experte und Leiter der Hämophilieambulanz am AKH Wien, Univ.-Prof. Dr. Cihan Ay, erklärt in der vierteiligen Podcastreihe „Evolution in der Hämophilie – Entwicklung, Fortschritt und Innovation“ die Grundlagen der Blutgerinnungsstörung sowie die unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten. Reinhören lohnt sich!

Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Cihan Ay, Leiter Hämophilie-Ambulanz, Leiter Programmdirektionen für Thrombophilie und Hämophilie, Leiter Thrombosis and Haemostasis Research Group,
Medizinische Universität Wien

Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr. Cihan Ay

© ZVG

Leiter Hämophilie-Ambulanz, Leiter Programmdirektionen für Thrombophilie und Hämophilie, Leiter Thrombosis and Haemostasis Research Group,
Medizinische Universität Wien

1 – Über Hämophilie: Basiswissen zur Blutgerinnungsstörung

Wenn Menschen mit der Diagnose einer seltenen Erkrankung konfrontiert sind, stellen sich viele Fragen. Daher steht Prof. Dr. Cihan Ay in der ersten Folge der Podcastreihe Rede und Antwort zu den verschiedensten Fragen rund um die Themen Diagnose von Hämophilie, Vererbung und Spontanmutation. Außerdem gibt er einen Einblick in die Lebensrealität von Betroffenen. Denn die Blutgerinnung ist ein wichtiger physiologischer Prozess, der uns Menschen grundlegend vor dem Verbluten schützt. Dabei können verschiedene Störungen auftreten. Eine dieser Störungen kann durch die Hämophilie bedingt sein, da es durch das Fehlen eines bestimmten Blutgerinnungsfaktors zu einer verzögerten Blutgerinnung und einer verstärkten Blutungsneigung kommen kann.

In der Regel wird die angeborene Blutgerinnungsstörung durch die Mutter vererbt. Da es eine X-chromosomal-rezessiv vererbte Erkrankung ist, betrifft die Hämophilie – mit ganz wenigen Ausnahmen – nur Buben und Männer. Bei 20 bis 30 Prozent der Betroffenen gibt es keine bereits bekannten Fälle von Hämophilie in der Familiengeschichte. Das bedeutet, dass es auch Menschen gibt, bei denen die Hämophilie durch eine Spontanmutation entsteht. Die Diagnose der seltenen Erkrankung erfolgt in dafür spezialisierten Zentren durch eine Blutabnahme und mittels Blutgerinnungstests, Faktorbestimmungen und schließlich eines genetischen Tests.

Die Medizin unterscheidet zwischen der Hämophilie A, bei der der Blutgerinnungsfaktor VIII fehlt oder vermindert produziert wird, sowie Hämophilie B, bei der das Gleiche für den Blutgerinnungsfaktor IX gilt. Beide Formen der Hämophilie zeigen sich durch eine erhöhte Blutungsneigung. In Abhängigkeit vom Schweregrad treten bei Betroffenen also unterschiedlich häufige und starke Blutungen in Muskeln, der Haut und vor allem auch in Gelenken auf. Außerdem können verlängerte oder verzögerte Blutungen im Rahmen von Verletzungen oder – bei keiner entsprechenden Vorbereitung – auch nach Operationen entstehen. Dank langjähriger Forschung und dem heutigen Stand der Medizin ist Hämophilie sehr gut zu therapieren. Daher, so erklärt Prof. Dr. Cihan Ay im Podcast, können viele Menschen mit der angeborenen Blutgerinnungsstörung heute so gut und normal leben, dass sie gar nicht mehr als „Kranke“ angesehen werden müssen.

2 – Die Faktor-Therapie: Meilenstein in der Behandlung

In der zweiten Folge der Podcastreihe klärt Prof. Dr. Cihan Ay über die sogenannte Faktor-Therapie auf. War früher die Diagnose Hämophilie mit vielen Ängsten behaftet, so ist die Erkrankung heute dank modernster Medizin gut behandelbar. Bei richtigem Handling hat Hämophilie glücklicherweise heute keinen so großen Einfluss mehr auf die Lebensqualität oder die Lebenserwartung wie noch vor ein paar Jahrzehnten. Als eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten geht Prof. Dr. Cihan Ay zunächst auf die sogenannte Faktor-Therapie ein und gibt dabei einen Überblick über die Entwicklung sowie die Funktionsweise dieser Therapieoption. 

Die Entwicklungsgeschichte der Faktor-Therapie ist sowohl von großen Fortschritten als auch von Rückschlägen geprägt, wie Prof. Dr. Cihan Ay erklärt. In den 1960er- und 1970er-Jahren entwickelten Forscher:innen in Skandinavien eine Methode, um einen Mix an Faktoren aus dem Blutplasma zu extrahieren. Damit konnten Patient:innen nicht nur akut bei auftretenden Blutungen behandelt werden, sondern auch erstmals vorbeugend im Sinne einer Prophylaxe. Mit dem Auftreten von Erkrankungen wie Hepatitis oder HIV mussten bis in die 1980er- und 1990er-Jahre schließlich Technologien entwickelt werden, um die Kontamination der Präparate mit gefährlichen Erkrankungen zu verhindern. Heute ist die Faktor-Therapie so hoch weiterentwickelt, dass alle Viren in Plasmaprodukten inaktiviert werden, um so eine sichere Therapie garantieren zu können. Ein weiterer, parallel dazu stattfindender Entwicklungsschritt war die Herstellung von gentechnisch produzierten – sogenannten rekombinanten – Faktoren. Damit stehen der Medizin heute sowohl aus Blutplasma hergestellte als auch rekombinante Proteine für die Behandlung von Hämophilie zur Verfügung. Da der Faktor VIII über eine relativ kurze Halbwertszeit – die Verweildauer des zugeführten Faktors in der Blutzirkulation – verfügt, muss der fehlende beziehungsweise verminderte Faktor immer wieder zugeführt, also substituiert werden. Daher wird zur prophylaktischen Behandlung der Hämophilie in der Regel zwei- bis dreimal pro Woche eine intravenöse Gabe des Faktors verabreicht. Durch ständige Forschung verlängert sich die Halbwertszeit der Präparate beständig. Prof. Dr. Cihan Ay gibt im Rahmen dieser Folge außerdem noch einen Einblick in die aktuelle Forschung und einen kurzen Ausblick darauf, welche Entwicklungen in Zukunft noch zu erwarten sind. Seit einem halben Jahr ist eine neue Faktor-VIII-Therapie zugelassen. Diese ermöglicht ein einmal wöchentliches Spritzintervall bei gleichzeitig höherem Talspiegel.

3 – Die Non-Faktor-Therapie: Wichtige Entwicklungsschritte

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit bei Hämophilie ist die sogenannte Non-Faktor-Therapie. In der dritten Folge widmet sich der Podcast daher dieser Therapieoption. Prof. Dr. Cihan Ay erklärt darin, wann und wieso man die Non-Faktor-Therapie einsetzen kann. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass es im Blut sowohl Faktoren gibt, die die Blutgerinnung fördern, als auch solche, die sie hemmen. Physiologisch gesehen sollte das Verhältnis der Faktoren zueinander in Balance sein. Da dieses Verhältnis bei Menschen mit Hämophilie aus der Bahn geraten kann, wird im Zuge der Non-Faktor-Therapie diese Balance wiederhergestellt. Die für die Non-Faktor-Therapie zur Verfügung stehenden Präparate haben für einen spannenden Entwicklungsschritt in der Behandlung von Hämophilie gesorgt, so Prof. Dr. Cihan Ay.

Im Gegensatz zur Faktor-Therapie, die durch eine intravenöse Gabe angewendet wird, kann die Non-Faktor-Therapie subkutan durch eine Spritze erfolgen. Ein weiterer Unterschied zur Faktor-Therapie besteht darin, dass die Non-Faktor-Therapie auch dann wirkt, wenn ein Hemmkörper vorhanden ist. Darüber hinaus besteht das Konzept der Prophylaxe der Non-Faktor-Therapie darin, dass ein konstanter Wirkstoffspiegel ohne Spitzen- oder Talspiegel vorhanden ist. Dieser Wirkstoffspiegel kann derzeit hingegen noch nicht in eine bestimmte Faktor-VIII-Äquivalenz übertragen werden. Das bedeutet, dass damit bislang „nur“ ein Basisschutz in der Prophylaxe erreicht werden kann. Da es in manchen Situationen allerdings wichtig ist, den Schutz zu erhöhen, braucht es zusätzlich eine Faktor-Therapie. Dies ist etwa im Zuge von Operationen oder bestimmten Aktivitäten mit sehr starker Belastung und hoher Verletzungsgefahr notwendig. In Österreich ist derzeit ein Präparat nach dem Prinzip der Non-Faktor-Therapie zugelassen. Dieses wird zunächst im wöchentlichen Intervall in einer bestimmten Dosis appliziert. Ist der Basisschutz vorhanden, wird das Präparat in ein-, zwei- oder vierwöchentlichen Intervallen subkutan verabreicht. Die Zulassung eines weiteren Präparates wird demnächst erwartet, weiß Prof. Dr. Cihan Ay.

4 – Die Gentherapie: Zukunftshoffnung bei Hämophilie

Für die seltene Erkrankung Hämophilie ist ein defektes Gen verantwortlich. Die Hoffnung auf eine Behandlung mit einer Gentherapie ist für viele seltene sowie auch nicht seltene Erkrankungen ein Thema. In der vierten Folge gibt Prof. Dr. Cihan Ay daher einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung rund um die Möglichkeiten, Chancen, aber auch Herausforderungen der Gentherapien in der Behandlung von Hämophilie. Prinzipiell ist die Hämophilie in ihrer Grundstruktur sehr geeignet dafür, mit einer Gentherapie behandelt zu werden. Prof. Dr. Cihan Ay spricht daher auch von einer „Modellerkrankung“ für eine gentherapeutische Behandlung. 

Die Gentherapie als Behandlungsform für genetische Erkrankungen erhält derzeit große Beachtung und gleichzeitig auch Einzug in die Medizin. Im Rahmen der Gentherapie gibt es verschiedene Ansätze: etwa das Hinzufügen eines funktionierenden Gens, das Ersetzen eines defekten Gens sowie die Korrektur eines Gens. Für die Hämophilie, die als monogenetische Erkrankung sehr gut erforscht ist, wird ein funktionierendes Gen über ein Vehikel in die Produktionszelle des Faktors in der Leber gebracht. Damit soll die eigene Faktorproduktion wieder angekurbelt werden. Das derzeitige Konzept der Gentherapie sieht eine einmalige Verabreichung vor. Um für eine Gentherapie infrage zu kommen, müssen Patient:innen gewisse Kriterien erfüllen, wie etwa das Nicht-vorhanden-Sein bestimmter Antikörper, eine gesunde Leber sowie sehr engmaschige Kontrollen, da auch Immunreaktionen auf die Gentherapie auftreten können.Eine der aktuell großen Fragestellungen der Gentherapie ist, wie lange diese anhält. Derzeit liegen dazu noch keine Langzeitstudien vor. In bisherigen Studien zeigt sich, dass nach einer gewissen Zeit der erwünschte Effekt der Faktorexpression nachlässt – aber nichtsdestotrotz über Jahre anhält. Zum Abschluss der Podcastreihe gibt Prof. Dr. Cihan Ay schließlich noch einen Ausblick auf die Frage, ob denn Hämophilie in naher oder ferner Zukunft gänzlich geheilt werden kann. Die Gentherapie habe das Ziel einer Heilung, sagt er. Allerdings bleibt derzeit noch die Ungewissheit in Bezug auf ihre langfristige Wirkung. Dennoch: Mit der Gentherapie, so erklärt der international renommierte Experte, kommt man der Heilung zumindest einen weiteren Schritt näher.

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