Birgit Drew
Senior Homecare Specialist Healthcare Austria
Foto: Privat
Bei welchen Symptomen sollte man HAE abklären lassen und bei wem (Hausärzt:innen)?
HAE – Hereditäres Angioödem – ist eine Erkrankung, die oft über einen langen Zeitraum, im schlechtesten Fall über mehrere Jahre, unentdeckt bleibt.
Grundsätzlich ist das Krankheitsbild HAE durch Schwellungen (Ödeme), die örtlich begrenzt sind, erkennbar. Die häufigsten Schwellungen treten in den folgenden Bereichen auf: Gesicht, Kehlkopf, Luftröhre, Extremitäten, Magen-Darmtrakt und Genitalien. Diese vorübergehend auftretenden Schwellungen erzeugen keinen Juckreiz, bereiten Betroffenen aber starke Schmerzen. Leider kann man ebenso wenig voraussagen, wann und wo die nächste Schwellung auftreten und wie lange diese anhalten wird.
Mit steigender Awareness für dieses Krankheitsbild sind Fachärztinnen und Fachärzte mit dermatologischem Hintergrund jedoch mittlerweile mit der Diagnose bestens vertraut. Da es sich um eine Erberkrankung handelt, wird von den meisten behandelnden Ärzt:innen eine Familienanamnese erhoben, um auch anderen Familienmitgliedern eine frühzeitige Diagnosestellung gewährleisten zu können.
Da die Schwellung sowohl an eine Allergie (Hautschwellung) als auch –
bei unklaren Bauchkrämpfen – an eine Blinddarmentzündung erinnern kann, denken weder Patient:in noch Ärztin oder Arzt an eine seltene Erkrankung wie zum Beispiel HAE. Dies hat zur Folge, dass die Erkrankung lange unentdeckt bleibt.
Daher ist für alle Patient:innen von größter Bedeutung, dass bei auftretenden Symptomen eine rasche Diagnose durch Spezialist:innen eingefordert und gestellt wird.
Patient:innen können sich diesbezüglich mittels Selbsthilfegruppen oder Recherche im Internet informieren.
Wie erleben Patient:innen die Diagnose und die Erklärung der Krankheit?
Auch wenn Patient:innen mit einer Erkrankung, die nicht heilbar ist, diagnostiziert werden, stehen ihnen mehrere Therapieoptionen zur Verfügung, die ihnen eine höhere Lebensqualität ermöglichen. Sowohl bei akuter Schwellung als auch zur Prophylaxetherapie stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die subkutan oder intravenös verabreicht werden können. Welche medikamentöse Therapie am besten für einzelne Patient:innen geeignet ist, bestimmt die/der behandelnde Ärztin/Arzt.
Wie sieht der Alltag mit HAE aus und ist eine Heimtherapie möglich?
Der Alltag von HAE-Patient:innen wird durch die Angst vor der nächsten, potenziell tödlichen Schwellung bestimmt. Bevor die Patient:innen nicht fähig sind, sich die medikamentöse Therapie im richtigen Augenblick selbst zu verabreichen, sind sie Tag und Nacht auf die Behandlung in einer Klinik angewiesen.
Auf Wunsch der Patient:innen und behandelnden Ärzt:innen wird die verordnete Therapie im häuslichen Umfeld ermöglicht. Dazu erfolgt eine Schulung zur eigenständigen Verabreichung der Medikation durch Patient:innen und deren Angehörige durch eine auf HAE spezialisierte diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson.
Nach einer Schulung, die auf eine sichere Selbstmedikation – sowohl auf die Verabreichung von subkutanen als auch intravenösen Präparaten – ausgerichtet ist, können Betroffene einem normalen, autonomen Alltag nachgehen.
Einen weiteren Mehrwert der Heimtherapie stellt eine auf HAE spezialisierte diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeperson dar. Sie steht für Ratschläge und Informationsaustausch rund um das Krankheitsbild HAE zur Verfügung und vermittelt so zusätzliche Sicherheit.
HAE Factbox
Typische Anzeichen für HAE sind:
• wiederholte Schwellungsattacken der Haut, die mehr als 24 Stunden anhalten und nicht jucken (Juckreiz weist auf eine Allergie hin)
• fehlende Wirkung von Antihistaminika oder Kortison (wirksam bei allergisch bedingten Schwellungen)
• immer wieder auftretende anfallsartige und krampfartige Bauchschmerzen, die mehr als sechs Stunden dauern und keine klare Ursache haben
• eine oder mehrere Schwellungsattacken im Hals
• erste Symptome im Kindes- und Jugendalter
• häufig Vorläufersymptome/Vorboten für Schwellungsattacken
Erkrankungen, die mit dem HAE verwechselt werden können:
• allergische Hautreaktionen
• Nesselsucht
• Reizdarmsyndrom
• Lebensmittelunverträglichkeiten
• Harnwegsinfektionen
• Gallen- und Nierensteine
• Blinddarmentzündung (Appendizitis)