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Hereditäres Angioödem: Prophylaxe als Joker

Credits: Unsplash

Apollonia Schipits leidet an der seltenen Erkrankung ‚Hereditäres Angioödem‘, kurz HAE.  Gemeinsam mit dem HAE-Spezialisten Dr. Clemens Schöffl spricht sie im Interview über die enorme Krankheitslast, persönliche Joker und das Bewilligungsprozedere für Therapien.

Apollonia Schipits

HAE Austria

Dr. Clemens Schöffl

Medizinische Universität Graz

Herr Dr. Schöffl, Sie sind Spezialist für das Hereditäre Angioödem. Was bedeutet es, wenn Menschen von dieser seltenen Erkrankung betroffen sind?
HAE ist eine chronische Erkrankung, die sich zumeist in der Kindheit und Jugend mit wiederkehrenden, nicht juckenden Schwellungen an unterschiedlichen Körperstellen bemerkbar macht. Das kann Hände und Füße aber auch den Bauchbereich betreffen und dort mit heftigen Attacken und krampfartigen Bauchschmerzen mit Erbrechen und Durchfall einhergehen. HAE kann aber auch im Bereich des Gesichts und des Kehlkopfs auftreten. Hier wird es gefährlich, weil es zu akuter Atemnot führen kann. Das ist der Grund, warum HAE eine potenziell tödliche Erkrankung ist.

Frau Schipits, wie leben Sie mit der seltenen Erkrankung HAE?
Mein Motto lautet: Ich lasse mich von der Krankheit nicht beherrschen, sondern ich lebe mein Leben. Ich bin vorsichtig und nicht leichtsinnig, aber es soll sich nicht alles um meine Erkrankung drehen. HAE ist eine Erkrankung, die nicht heilbar ist. Man lernt also, damit gut umzugehen.

Macht sich die Erkrankung bei Ihnen im Alltag irgendwie bemerkbar?
Ich erhalte eine Prophylaxe, die ich mir über eine Spritze alle drei Wochen verabreiche. Davor hatte ich 70 Attacken pro Jahr. Das war physisch und psychisch sehr anstrengend. Dank der Prophylaxe geht es mir heute sehr gut.

Herr Dr. Schöffl, was sind aus Ihrer Sicht die Herausforderungen, mit denen Menschen mit HAE aber auch deren Behandler:innen konfrontiert sind?
Das Gemeine an der Erkrankung ist die Unvorhersehbarkeit der Attacken. Als Behandler:innen sind wir auf die Schwellungstagebücher unserer Patient:innen angewiesen, um zu sehen, wie oft Attacken auftreten und welche Therapien benötigt werden. Die wahre Herausforderung ist aber der Weg bis zur Diagnose. Obwohl sich die Situation in Österreich in den letzten Jahren verbessert hat, müssen viele Patient:innen nach wie vor mehrere Jahre an Symptomen durchlaufen, bis sie ihre richtige Diagnose erhalten. Ist diese dann gestellt, können wir heute zwischen verschiedenen akuten und präventiven Therapieoptionen wählen. 

Wie sieht der Zugang zur HAE-Therapie in Österreich aus?
In Österreich haben praktisch alle weltweit für HAE zugelassenen Medikamente eine Zulassung. Hinsichtlich der Bewilligung haben wir Ärzt:innen oft mit den Krankenkassen zu tun. Es ist ein bürokratischer Aufwand, den wir für unsere Patient:innen natürlich gerne betreiben. Für die Argumentation der doch sehr teuren Medikamente helfen uns die Schwellungstagebücher der Patient:innen. Wir sind natürlich bestrebt, den Patient:innen die beste Therapie anzubieten und ein weitgehend attackenfreies Leben zu ermöglichen. Dafür braucht es eben die regelmäßige Gabe von Medikamenten.

Frau Schipits, gibt es aus Ihrer Sicht Hürden im System, die Sie gerne beheben würden? 
Herr Schöffl hat es bereits angesprochen. Die unangenehmste Hürde ist die Bewilligung. Als Patientin ist es für mich nur schwer nachvollziehbar – trotz Dokumentation und bereits vorangegangener Bewilligung meiner Prophylaxe – das behördliche Prozedere alle sechs Monate wiederholen zu müssen. Die Prophylaxe ist ein Joker für mich. Sie ermöglicht mir ein relativ angstfreies Leben, weil ich viel weniger Attacken habe. Heute kann ich im Vergleich zu früher wirklich ein gutes Leben führen.

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