Mag. Elisabeth Weigand
Geschäftsführung Pro Rare Austria
Eine seltene Erkrankung bedeutet für Betroffene oft, einen langen und beschwerlichen Weg bis zur richtigen Diagnose und Therapie gehen zu müssen. Von einer seltenen Erkrankung spricht man – der europäischen Definition folgend –, wenn weniger als eine von 2.000 Personen das spezifische Krankheitsbild aufweisen. Rund fünf Prozent der Bevölkerung sind von einer solchen Erkrankung betroffen – in Österreich sind das mittlerweile rund 450.000 Menschen.
Eine Diagnose unklarer Symptome ist wichtig, um eine passende Therapie zu finden und die Situation von betroffenen Menschen zu verbessern. Seltene Erkrankungen können sich neben den gesundheitlichen Beschwerden und Risiken auf alle Bereiche des Alltags und gesellschaftlichen Lebens auswirken. Das seltene Auftreten einer dieser Erkrankungen führt dazu, dass medizinisches Fachwissen, Versorgungsangebot und auch Forschung begrenzt sind. Durchschnittlich dauert es daher mehr als fünf Jahre bis zur richtigen Diagnose.
Wen also bei unerklärlichen, chronischen Symptomen kontaktieren?
Die erste Anlaufstelle bietet meist die Allgemeinmedizin oder eine Fachärztin bzw. ein Facharzt. Im Bedarfsfall sollte durch diese oder die Betroffenen selbst der Kontakt zu einem spezialisierten Zentrum hergestellt werden. Expertisezentren sind zentrale, hochspezialisierte klinische Einrichtungen für definierte Gruppen von seltenen Erkrankungen. Dort erfolgen vor allem Erstdiagnostik und Therapieeinstellung aber auch Kontrolluntersuchungen. Die Zentren ersetzen nicht die medizinische Grundversorgung, sondern sie sind dafür da, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen optimal versorgt werden und bestehende Expertise sichtbar gemacht und genützt wird.
Gerade für ein vergleichsweise kleines Land wie Österreich ist die Teilhabe an internationalen Netzwerken bedeutend. Die bislang neun designierten Expertisezentren für seltene Erkrankungen Österreichs sind Mitglieder bei den fachspezifischen Europäischen Referenznetzwerken (ERN). Darüber hinaus gibt es rund 40 Assoziierte Nationale Zentren, die ebenfalls mit den fachspezifischen ERN vernetzt sind, sodass Österreich in allen 24 ERN vertreten ist. Virtuelle Befundbesprechungen unter Spezialist:innen können die Zeit bis zu einer Diagnose verkürzen und die Betroffenen müssen nicht mehr durch Europa reisen.
Betroffene Personen sind auf gut funktionierende Netzwerke angewiesen, um an nationaler und internationaler Expertise teilhaben, in Austausch mit anderen Patient:innen treten und ihre Anliegen und Bedarfe teilen und sichtbar machen zu können. Selbsthilfegruppen erfüllen hier enorm wichtige Aufgaben – nicht nur, aber besonders auch in Zeiten oder nach einer Pandemie.
Einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung, Sichtbarmachung von Betroffenen und deren Anliegen und zur Verbesserung der Situation von Menschen mit seltenen Erkrankungen leistet der „International Rare Disease Day“, der seit 2008 jedes Jahr am letzten Tag im Februar stattfindet. Die breite Öffentlichkeit und Vertreter:innen von Politik, Industrie, Forschung und Gesundheitswesen werden mit vielen Aktionen, u. a. der Kampagne #LightUpForRare, bei der jede:r ganz einfache, individuelle und ressourcenschonende Aktionen auch zu Hause in den Farben der seltenen Erkrankungen planen und posten kann, auf das Thema aufmerksam gemacht. Heuer, am 28. Februar 2023, findet eine Podiumsdiskussion, das Austrian Health Forum Netup zu Seltenen Erkrankungen, als hybride Veranstaltung im DC Tower statt.
Der Dachverband Pro Rare Austria stellt auf österreichischer Ebene eine gemeinsame starke Stimme für aktuell mehr als 90 Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen dar. Pro Rare Austria bringt diese Anliegen in die politische Arbeit sowie in die Projekte und Kooperationen des Verbands ein, um Verbesserungen für Betroffene zu erzielen. Auch für Menschen, die Informationen zu seltenen Erkrankungen benötigen, wird eine wichtige Anlaufstelle geboten, die bei der Suche nach medizinischen Ansprechpersonen unterstützt sowie an krankheitsspezifische Selbsthilfegruppen vermittelt. So organisiert der Verband am 15. April 2023 ein „Vernetzungstreffen“ für Betroffene einer seltenen Erkrankung und alle am Thema seltene Erkrankung Interessierten.
Seltene Erkrankungen sollen besser und frühzeitiger diagnostiziert und erforscht und Patient:innen bestmöglich versorgt werden – durch die Stärkung von Bewusstsein und Expertise, durch Vernetzung und den Ausbau bestehender Strukturen. Unser Ziel ist ein gleichberechtigtes Leben in der Mitte der Gesellschaft für alle Menschen mit einer seltenen Erkrankung.