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Zerebrotendinöse Xanthomatose

„Wir müssen Awareness schaffen!“

A computer screen showing a DNA sequenceFor more science related images see this lightbox:
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iStock/nicolas_

Hinter der nahezu unaussprechlichen Krankheit Zerebrotendinöse Xanthomatose (CTX) verbirgt sich eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die in Österreich, aber auch international, unterdiagnostiziert ist. OA Dr. Vassiliki Konstantopoulou klärt über mögliche Symptome dieser seltenen Krankheit auf.

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OA Dr. Vassiliki Konstantopoulo

Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde/AKH

Was verbirgt sich hinter dem Namen „Zerebrotendinöse Xanthomatose“ (CTX)?

CTX ist eine genetisch bedingte Erkrankung, ein Enzymdefekt, der den Gallensäurenstoffwechsel betrifft. CTX wird autosomal-rezessiv vererbt, das heißt, beide Elternteile müssen Träger des Gendefekts sein, um mit 25-prozentiger Wahrscheinlichkeit ein betroffenes Kind zu bekommen.

Wie ist CTX bei Kindern und Jugendlichen erkennbar?

Bei Neugeborenen stellen ÄrztInnen CTX eher selten fest. Manchmal können Neugeborene mit einer Cholestase, also einem Gallenrückstau, oder auch als Säuglinge mit Dauerdurchfällen auffallen. Im Kindes-/Jugendalter können CTX-PatientInnen grauen Star, Entwicklungsverzögerungen und Gleichgewichtsstörungen entwickeln.

Wie sieht es im Erwachsenenalter aus?

Bei erwachsenen CTX-PatientInnen können sich orange-gelbe Knötchen, sogenannte Xanthome, in den Sehnen ablagern. Dieses Fettmaterial tritt zumeist in den Bereichen Hand, Ellenbogen, Knie oder Hals auf. Im Verlauf kann es vorzeitig zu einer Arteriosklerose, also einer Arterienverkalkung, und Herzkreislauferkrankungen kommen, da Gefäßwandablagerungen durch pathologische Cholesterinabbauprodukte entstehen. Wichtige Komplikationen sind noch psychiatrischer Natur wie Aggressionen, Agitiertheit, Depressionen, Halluzinationen sowie fortschreitende Demenz. Auch Osteoporose kann ein Hinweis auf CTX sein.

Wie „selten“ ist diese seltene Krankheit?

Sehr selten! Eine rezente, wissenschaftliche Arbeit von Oktober 2015 hat die Häufigkeit von CTX untersucht. Interessanterweise ist CTX nicht nur selten, ihre Häufigkeit unterscheidet sich auch von Kontinent zu Kontinent. In Asien liegt die Inzidenz (Häufigkeit) bei 1:36.000 bis 1:75.000, in Europa nur bei 1:135.000 bis 1:146.000.

Wie kann CTX behandelt werden?

PatientInnen wird eine spezielle Gallensäure verabreicht, die dazu führt, dass die vermehrte Produktion der Cholesterinstoffwechselprodukte gehemmt wird. Je früher die Therapie eingeleitet wird, desto effektiver kann die Krankheitsfortschreitung aufgehalten werden. Ergänzend können auch Statine (Medikamente gegen erhöhte Blutfettwerte) eingesetzt werden. Bislang gibt es allerdings nur eine symptomatische Therapie und keine ursachenbekämpfende – an dieser wird noch anhand von Mausmodellen geforscht.

Gibt es Präventionsmaßnahmen?

Indem wir CTX bekannter machen, können wir präventiv tätig werden. Wir müssen Awareness schaffen – auch bei ErwachsenenmedizinerInnen. Nicht alle PatientInnen müssen alle Symptome aufweisen. Daher muss diese Erkrankung in den Listen der Differenzialdiagnostik inkludiert werden, da es eine sehr spezielle Diagnostik in Blut und Harn erfordert. Als Arzt muss man bei ungewöhnlichen Symptomkonstellationen erst einmal an eine angeborene Stoffwechselerkrankung wie CTX denken und dann weiter den StoffwechselspezialistInnen, also sowohl PädiaterInnen als auch InternistInnen, in den zuständigen Stoffwechselzentren zuweisen.

Wissenswertes zu CTX

Stoffwechsel und Genmutation
Jeder Stoff, den wir durch die Nahrung aufnehmen oder der in unserem Körper produziert wird, muss umgebaut, aufgebaut oder abgebaut werden. Der Stoffwechsel ist die Basis für alle lebenswichtigen Prozesse in unserem Körper. An jeder Stoffwechselreaktion sind Enzyme beteiligt.

Das zentrale Stoffwechselorgan ist die Leber. Der Um-, Auf- und Abbau der Stoffe im Körper muss einwandfrei funktionieren. Ist dies nicht der Fall, spricht man von einer Stoffwechselstörung, die verschiedene Ursachen haben kann. Im Falle von CTX entsteht die Störung durch die Mutation des Gens CYP27A1.

Gallensäure-Stoffwechsel-Störung

Auch Cholesterin muss im Körper verstoffwechselt werden. Dieser Prozess besteht aus vielen kleineren Schritten, bei denen ein Produkt entsteht. Jeder Schritt ist dabei wie eine Brücke, die perfekt funktionieren muss. Wenn das Enzym fehlt oder vom Körper nicht richtig produziert worden ist, entsteht eine Abbaustörung.

Bei CTX-PatientInnen ist die Verstoffwechslung von Cholesterin gestört. Man spricht von einer Gallensäure-Stoffwechsel-Störung. Die Gallensäuren wiederum dienen zur Fettverdauung und sind gleichzeitig auch Endprodukt des Cholesterin-Stoffwechsels.

Künstliche Gallensäure

Die Behandlung von CTX erfolgt aktuell in den allermeisten Fällen mit Chenodeoxycholsäure. Diese künstliche Gallensäure senkt die Konzentration von Cholestanol. Zur ergänzenden Behandlung werden Statine, die den Cholesterinspiegel senken, verabreicht. Bestehende Beschwerden können dadurch gelindert und das Fortschreiten der Krankheit verhindert werden.

Magdalena Reitbauer, [email protected]

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