Die Wienerin Mag. Martina Böck war selbst lange Jahre von Morbus Cushing betroffen. Doch Cushing ist nicht Cushing, wie sie erklärt.
Mag. Martina Böck
Morbus Cushing Betroffene
Was muss ich mir grundsätzlich unter Morbus Cushing vorstellen?
Morbus
Cushing steht für eine exzessive Kortisolausschüttung im Körper,
verursacht durch einen gutartigen Hypophysentumor. Alle anderen Ursachen
von zu viel Kortisol im Körper werden unter Cushing-Syndrom subsumiert.
Dafür gibt es verschiedenste Auslöser, wie Nebennierenadenome oder
selten auch Karzinome, zum Beispiel der Lunge. Die häufigste Form, ein
Cushing-Syndrom zu entwickeln, ist wohl die medikamentöse Einnahme von
Kortison, aber da ist die Ursache ja bekannt und die Diagnose nicht
verzögert.
Wie äußert sich Cushing?
Das Schwierige ist, dass es keine eindeutigen Symptome gibt. Daher kommt es bei vielen Betroffenen zu jahrelangen Patientenkarrieren und elendslangen, beschwerlichen Verläufen, bis endlich klar ist, um welche Krankheit es sich handelt. In vielen Büchern werden beim Cushing immer noch sehr dicke Menschen mit starken Dehnungsstreifen gezeigt.
Aber es muss nicht sein, dass man so aussieht. Ich beispielsweise war den Ärzten für Cushing wohl zu schlank und hatte keine Streifen. Bei mir hat es mit ständig blauen Flecken und einem Bauch begonnen. Nach einem Abortus, bei dem zu hohe Hormonwerte festgestellt wurden, hat man ein MR gemacht, um dem auf den Grund zu gehen. Aber selbst als der gutartige Tumor im Kopf entdeckt wurde, hat es noch Jahre gedauert, bis Ärzte endlich auf den Cushing gekommen sind.
Kommen wir noch einmal auf die Symptome zurück. Gibt es häufiger vorkommende Symptome?
Jeder Patient ist anders. Man spricht ja von einer Multisystemerkrankung. Ich vermute aber, dass die unerklärliche Gewichtszunahme, ähnlich dem metabolischen Syndrom, das häufigste Symptom ist. Leistungsschwäche und nicht vorhandene Stressresistenz sowieso. Depressionen können entstehen. Auch Haarausfall oder vermehrte Körperbehaarung, Akne, Osteoporose, Bluthochdruck, Diabetes, Zyklusstörungen und bei Männern verminderte Potenz können auftreten. Ich war auch von starker Muskelschwäche gezeichnet. Knochenbrüche und Wirbeleinbrüche kommen vor. Und das alles ist noch nicht alles. Kurz gesagt: Der Körper fängt an, sich selbst abzuschaffen.
Bricht Cushing plötzlich aus?
Vieles weiß man noch nicht. Die Diagnose erfolgt meist im Alter von 25 bis 40 Jahren. Und das trifft auch auf mich zu. Es kann aber auch erst später oser schon bei Kindern oder Säuglingen auftreten.
Und als man dann schlussendlich gewusst hat, dass es Cushing ist, war die Ratlosigkeit groß?
Ich hatte vorher noch nie davon gehört. Wobei die Situation damals, 2004, auch deutlich schwieriger war. Heute gibt’s im Internet viel mehr Infos dazu. Damals gab es fast gar nichts. Aber viel größer als die Ratlosigkeit war die Erleichterung! Ich war so erleichtert, endlich zu wissen, was mit mir los ist. Endlich ernst genommen zu werden. Denn Cushing ist eine sehr ernste Erkrankung und unbehandelt im schlimmsten Fall lebensbedrohlich. Das darf man nie vergessen.
Wie ist Cushing behandelbar?
Die Operation ist die Therapie erster Wahl. Auch medikamentös und mit Strahlentherapie kann Cushing behandelt werden. Betroffene haben, egal ob Morbus oder Syndrom, grundsätzlich das Glück, dass die Krankheit behandelt und auch geheilt werden kann. Wobei das aber so leider nicht für alle PatientInnen gilt. Wichtig ist, dass auch die Jahre nach der Operation nicht minder belastend sein können, bis der Körper wieder funktioniert. Man braucht sehr viel Geduld.
Wie ist es bei so vielen Symptomen und der ständigen Verunsicherung aufgrund der so lange fehlenden Diagnose um die Lebensqualität bestellt?
Die Lebensqualität ist bei Cushing sehr stark reduziert. Körperliche Beschwerden gehen über in psychosoziale Einschränkungen. Aufgrund der fehlenden Diagnose hält man dich auch oft für einen Simulanten, der sich nur hängen lässt. Freunde werden weniger, Partnerschaften zerbrechen, berufliche Existenzen lösen sich auf, das gesamte Umfeld reagiert mit Unverständnis. Cushing ist leider ubiquitär einschränkend.
Welche Wünsche haben Sie für Cushing-Betroffene im neuen Jahr?
Ich würde mir bei ÄrztInnen eine Wissensverbreiterung wünschen, wenn ich dürfte. So könnte die so bedrückend lange Diagnoselatenz, sprich die Zeit bis zur korrekten Diagnose, stark verkürzt werden. Und damit wäre den Betroffenen sehr geholfen.