Heidi Gmeiner
Vorsitzende der Selbsthilfeorganisation Morbus Pompe Österreich
Wie erleben Eltern die Diagnose einer seltenen Erkrankung bei ihren Kindern und was gibt ihnen dafür Kraft? Heidi Gmeiner, selbst Angehörige, erzählt im Interview von ihren Erfahrungen.
Sie sind Mutter einer an Morbus Pompe leidenden Tochter. Wie haben Sie die Diagnose und vor allem auch den Weg bis zur richtigen Diagnose als Elternteil wahrgenommen?
Als meine Tochter 2004 geboren wurde, schien alles in bester Ordnung. Auch bis sie neun Monate alt war, entwickelte sie sich völlig normal. Doch dann löste ein viraler Infekt den nächsten ab. Wir suchten einen Arzt nach dem anderen auf und bekamen immer wieder zu hören, dass solche Infekte in diesem Alter normal seien. Als wir auf einen Bluttest drängten, da wir den medizinischen Beteuerungen einfach keinen Glauben mehr schenken wollten, zeigte dieser tatsächlich erhöhte Werte. Daraufhin wurde bei meiner Tochter eine Muskelbiopsie durchgeführt. Die Gewebeprobe wurde an der Universität Münster untersucht und brachte schließlich die erschütternde Klarheit – Diagnose: Morbus Pompe.
Mit welchen Herausforderungen waren Sie damals in der Familie konfrontiert? Wie ging es Ihrer Tochter als Kind mit der Diagnose – und wie geht es ihr jetzt als Jugendliche?
Für uns war die Diagnose Morbus Pompe eine Horrornachricht und wir brauchten sehr lang, um diese furchtbare Diagnose zu verkraften. Wir mussten als Familie zuerst lernen, damit umzugehen. Meine Tochter hat damals selbst ja noch nicht mitbekommen, dass sie an einer sehr seltenen Erkrankung leidet. Heute, als 16-Jährige, geht sie sehr stark und offen mit ihrer Krankheit um. Sie geht zur Schule, gestaltet ihre Freizeit so, wie sie es möchte, und verhält sich nicht anders als gesunde Menschen. Lediglich bei körperlichen Betätigungen hat sie diverse Einschränkungen – aber sie muss ja auch keine Marathonläuferin werden. Heute gibt es mir sehr viel Kraft zu sehen, wie sie ihr Leben mit einer Stärke meistert, die geradezu bewundernswert ist!
Was wünschen Sie sich für Betroffene und deren Angehörigen?
Ich wünsche mir, dass Betroffene und Angehörige niemals den Mut verlieren und stark bleiben. Es lohnt sich, für die Gesundheit jeder und jedes Einzelnen zu kämpfen. Bei Morbus Pompe geht es immerhin um den Zugang zu einer lebensnotwendigen Therapie.
Welche Unterstützungsmöglichkeiten braucht man als Elternteil eines Kindes mit einer seltenen Erkrankung?
Jede Form der Unterstützung ist wichtig – insbesondere der familiäre Zusammenhalt. Auch die unterschiedlichen Agenden auf gesundheitsrechtlicher und politischer Ebene sind von Bedeutung. Denn der Zugang zu Therapien – ob ambulant, im niedergelassenen Bereich oder auch Heimtherapien, wie Infusionen für Zuhause – ist nur durch das Zusammenwirken vieler Ansprechpartnerinnen und -partner möglich.
Sie haben die Selbsthilfegruppe für Menschen mit Morbus Pompe aufgebaut. Was möchten Sie gerne als Vorsitzende von Morbus Pompe Österreich, aber auch als Mutter anderen Angehörigen und den Betroffenen von seltenen Erkrankungen mitteilen?
Ganz gleich, welchen Schicksalsschlag Sie erleben müssen, geben Sie niemals auf! Es gibt Tage, die man vielleicht nicht erleben will, aber es gibt auch Tage, die Hoffnung auf Besserung und Lebensfreude bringen – und um genau die geht es. Als wir Morbus Pompe Österreich im Jahr 2008 ins Leben gerufen haben, ging es uns auch darum, betroffenen Familien zu helfen, die vielleicht nicht so ein Netzwerk wie wir zur Verfügung hatten. Versuchen Sie sich mit anderen zu vernetzen, damit Menschen mit seltenen Erkrankungen wie Morbus Pompe die Chance auf ein normales Leben haben. Jede erreichte Etappe ist ein Schritt nach vorne. Das zeigt mir meine Tochter jeden Tag!
MAT-AT-2100178 – v1.0 – 02/2021